Die Nächte lasse ich jetzt mal außen vor. Tiefschlaf und ausgeruht und entspannt fühlt sich anders an. Wirre Träume die ich schnell wieder vergesse, lange vor dem Wecker wach. Obwohl, heute habe ich mir gar keinen Wecker gestellt, aber meine innere Uhr ruft inzwischen schon von alleine: 6:30 Uhr, Zeit für die Bettflucht.
Dieses Mal wollte ich mein Morgenprogramm etwas umstellen um dem Boiler die Chance zu geben, mein Wasser doch vielleicht noch um 2-3 Grad wärmer zu gestalten. Und somit erst einmal frühstücken. Das sollte sich als großer Fehler erweisen!
Neben der Dada (= „Schwester“) die hier morgens kommt um uns am Wochenende mit Tee und heißem Wasser zu versorgen (Mahlzeiten gibt es am Wochenende keine durch die Organisation) und mir ist noch keiner wach.
Also erst einmal opulent gefrühstückt (Müsli mit Joghurt, 3.-Zähne-Weichbrötchen mit Honig – alles selbst eingekauft) und noch ein wenig gelesen. Und dann voller Vorfreude auf dem Weg in die Dusche. Mir ist den ganzen Morgen schon kalt und insofern kommt das jetzt genau richtig.
Die Dusche experimentiert noch mit der Temperatur, derweil schamponiere ich mir schon mal die Haare. Und dann passiert das, was man sonst nur aus B-Movies kennt: der Strom fällt aus. Und von oben gibt es nur noch Eisklümpchen. Nutzt aber alles Zetern und Wettern nix, das Shampoo muss wieder aus den Haaren. Und ich habe nun schlechte Laune. Aber so richtig.
Manche meiner Mitbewohner sind schon wach, die anderen sind es spätestens jetzt. Tut mir leid. Kann aber in dem Moment nicht anders.
Eine meiner Mitbewohnerinnen bricht heute auf eine 7-tägige Kilimandscharo-Tour auf. Und das ist schon ein großes Vorhaben. In 7 Tagen von hier 1.500 Metern über dem Meeresspiegel bis dann auf ca. 5.800 Metern über den Meeresspiegel. Selbst mit Akklimatisation-Tagen dazwischen, um sich an die Höhe zu gewöhnen, schaffen die letzte Etappe nur 30% der Angetretenen.
Am letzten Tag des Aufstiegs müssen sie gegen 4:00 Uhr aufstehen damit sie um 6:00 Uhr losgehen können und sie mittags auf dem höchsten Gipfel sind. Dort hat es dann Temperaturen von -18 bis -25 Grad. Die Krux dabei ist, dass sie nur maximal 10 bis allerhöchstens 15 Minuten dort verweilen dürfen, weil sonst das Risiko der Höhenkrankheit um ein Vielfaches steigt. Und die ist nicht zu unterschätzen.
Ende des 19. Jahrhunderts (ca. 1890) war es ein Deutscher, der zum allerersten Mal den Kilimandscharo erfolgreich bestiegen hat. Und dieser war dabei 70 Jahre (!) alt. Der Guide, der ihn damals begleitete wurde 125 Jahre (!) alt. Vielleicht sollte ich mal die Idee näher ins Auge fassen, ebenfalls den Kilimandscharo zu „bezwingen“. Allerdings, wenn ich mich bei einer kalten Dusche schon so anstelle … ;)
Meine Mitbewohnerin hat sich ein halbes Jahr auf diese Tour vorbereitet und ich wünsche Ihr alles Gute und eine Menge mentaler und körperlicher Kraft!
Doch nun zurück zu meinem Vormittag. Immer noch mächtig durchgefroren schmoll ich ein wenig so vor mich hin. Und wenn ich dann so ein wenig gezickt und gegrummelt habe, dann ist auch wieder gut. (Nur am Rande erwähnt: wir haben aktuell 18:00 Uhr und immer noch kein Strom. Und in einer Stunde geht die Sonne unter).
Dafür ist uns Momo, unser Hostelhund abgehauen und hat sich erst einmal ein Hühnchen vom Nachbarn geschnappt. Momo ist hier absolut unterfordert aber ein Traumhund. Wir überlegen nach Möglichkeiten, ob und wie wir sie vielleicht nach Deutschland vermitteln können. Sie wäre für den Hundesport super geeignet, ist dabei total lieb und verträglich. Und hat Hühner zum Fressen gern, wie wir spätestens seit heute wissen.
Dem Huhn ist nichts passiert und das ist gut so. Auch wenn ich Momo gut verstehen kann, denn ein Leben auf gefühlten 15 m2 Hoffläche ist nun nicht eines Vierbeiners Traum, so hätte es die Nachbarn hart getroffen. Wir wären aber auch für den Schaden aufgekommen, ein lebendes Huhn kostet hier ca. 20.000 TSH, also € 10. Das klingt nicht viel, aber …
… Unsere Nachbarn leben in einem Rohbau, ohne Fenster und Türen. Wie viele Personen sich diesen kleinen Bau teilen lässt sich gar nicht so richtig ausmachen, 8 sind es mindestens. Und die Küche ist ein Holzverschlag im Freien. Das würde sich in einem deutschen Garten nett als Grillstation machen, aber sicherlich nicht als Dauerlösung für alle Tage.
Und so ein Huhn, das ist ein Teil ihrer Existenz. Und so schnell hätten sie sich kein neues Huhn kaufen können. So kann ich die Aufregung der Leute schon sehr gut nachvollziehen, sie leben wirklich hier mit einem Minimum.
Mittags mache ich mich auf mit dem Dala Dala ins Zentrum zu fahren. Das Dala Dala ist auch heute wieder gut gefüllt, später steigt eine Mama mit ihrem Baby ein. Da mal wieder alles extrem eng ist, legt sie die Kleine erst einmal bei mir ab um dann auf ihren Sitz klettern zu können. Das ist hier gar nicht ungewöhnlich, und ich habe schon länger aufgehört, mich über solche Aktionen zu wundern. Sie hat die Kleine dann auch wieder zu sich genommen um sie während der Fahrt zu stillen. Diesen Teil hätte ich auch schwerlich übernehmen können.
Weibliche Brüste sind hier kein erotischer Körperteil und gelten bei den Tansaniern lediglich der Versorgung von Neugeborenen. So ist eine stillende Mutter in einem übervollen Dala Dala auch für die Afrikaner kein weiterer Blick wert.
Ich hole Geld ab, versorge mich im Biashara noch mit Lebensmitteln für das Wochenende und laufe dann zum Impala. Dort gibt es einen Fair Trade Massai-Shop in dem man wirklich tiefenentspannt shoppen kann, ohne von einer Massai unentwegt aufgefordert zu werden, zu schauen, anzufassen, anzuprobieren. Das ist extrem angenehm. Es ist angenehm, sich einfach unters Volk zu mischen und zu machen.
Dann begleitet mich der erste Verkäufer, erzählt mir, dass er billiger wäre, als der Massai-Shop und er leere Taschen hätte. Leider ist es nur so, dass ich mit der angepriesenen Ware nichts anfangen kann. Und so lässt er mich dann weiter ziehen.
Der Massai-Shop ist nicht so groß, leider auch die Auswahl nicht so riesig, aber was angeboten wird ist von hoher Qualität. Ich nehme 2 Teile mit, die ich hier nicht namentlich nennen kann, da meine Ursprungsidee ist, meinen Sittern zu Hause mitzubringen. Wenn ich nicht wieder auf die Idee komme, es doch lieber selbst behalten zu wollen.
Und dann erwischt mich der nächste Verkäufer. Da ich es ihnen aber auf den ersten Blick nicht ansehe, und sie erst einmal nur unverbindlich ein Gespräch beginnen, was hier nicht unüblich ist, möchte ich niemanden schon auf den „bloßen Verdacht“ hin, brüskieren und zurückweisen. Doch leider entpuppt sich das Gespräch als das was ich schon befürchtet hatte: als Versuch mit eine Tour zu verkaufen. Ich erkläre ihm, dass ich die Touren schon über meine Organisation gebucht habe (was ja absolut der Wahrheit entspricht), ändert er sein Taktik und versucht mich dazu zu bewegen, ob ich nicht zwischen seiner „Agentur“ uns meiner Organisation vermitteln könnte.
Langsam, da wird er „aufdringlich“. Üblicherweise kann ich spätestens ein solches Gespräch beenden, wenn ich einen Shop betrete um einzukaufen. In diesem Fall geht diese Taktik hier nicht auf, er begleitet mich in den Shop und hält mir sogar den Einkaufskorb.
Ich kaufe ein paar Spüllappen (die hier im Hostel wirklich notwendig sind, weil die aktuellen Spüllappen nur noch eher ein Hauch von Nichts sind, mit denen die Mama Josie oder die Dada das Geschirr spülen) und ein paar Mandazis (eine Art kleine Krapfen, nur ohne den Zuckermantel aber mit mindestens doppelt so vielem Fett). Beides hätte ich nicht unbedingt gebraucht, aber ohne etwas zu kaufen wollte ich den Laden nun auch nicht verlassen.
Der Tourenverkäufer weicht nicht von meiner Seite, aber draußen beschließe ich, dass ich dem ganzen nun ein Ende bereiten will. Denn ich empfinde ihn inzwischen als aufdringlich. Und da ist bei mir dann schnell die Grenze der Höflichkeit erreicht. Ein paar Male erkläre ich ihm, dass ich nun zu meinem Dala Dala muss um zu meiner Arbeit zu kommen. Er nickt auch immer verstehend, ich bin schon der Meinung, dass Gespräch ist zu Ende, als er erneut zu einem Vortrag ansetzt. So geht es mir drei Mal. Zum Schluss fragt er nach einer Zigarette, ich hätte ihm auch die ganze Schachtel gegeben wenn er mich dann endlich aus seinen Fängen gelassen hätte. Irgendwann bin ich aber dann wohl so energisch aufgetreten, dass er sich endgültig verabschiedet.
So sehr ich seine Hartnäckigkeit auch nachvollziehen kann, weil es oftmals wirklich darum geht, eine Grundsicherung herzustellen, so sehr wird es mir aber auch ab einem gewissen Punkt einfach zu viel und von entspannter Gelassenheit kann bei mir keine Rede mehr sein. Und das kann mir so eine Erkundung zu Fuß schon mal sehr verleiden.
Ich beschließe dennoch den Weg ins Hostel zu Fuß fortzusetzen, auch wenn es zwischenzeitlich ziemlich warm geworden ist. Aber so freue ich mich auch darüber, mal wieder mehr von dem zu genießen, was man schlichtweg „Sonne“ nennt.
Leicht verschwitzt mache ich mir einen gemütlichen Nachmittag auf der Terrasse, nicht ohne meine Swahili-Unterlagen auszupacken und die Hausaufgaben aus der letzten Stunde zu erledigen: die unterschiedlichen Formen der Verneinung je nachdem ob es sich um Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft handelt. Es macht einfach Spaß.
Inzwischen ist es kurz nach 19:00 Uhr Ortszeit, es ist dunkel, und wir würden gerne etwas Essen. Aber leider: wie haben immer noch kein Strom. Und es ist ziemlich mühselig sich alles im Dunklen zu ertasten, und mit den Fingern dann im Honigglas zu landen.
Wenn es wirklich so ist, dass hier tagsüber im Moment der Strom abgestellt wird um Strom zu sparen, so war es in den letzten Tagen zumindest so, dass es kurz nach Sonnenuntergang wieder angestellt wurde. Das hängt wohl damit zusammen, dass, wenn die Wasserkraftwerke zu wenig Wasser führen und deswegen rationiert wird. Dies kann man aber oftmals nur spekulieren. Und wir haben aktuell nach Sonnenuntergang und leider immer noch keine Strom.
Aber: wir sind guter Hoffnung. Was sollen wir auch anderes tun?
Nachtrag: 19:24 Uhr und der Strom geht wieder an! Und woran erkennt man den Muzungu? Dass er sofort all seine elektrischen Geräte einsammelt und sie an die Steckdose stöpselt.
Muzungu heißt übersetzt „der Weiße“. Früher war er ein Begriff für Menschen, die im Land umher zogen, was überwiegend weiße Menschen taten. Heute wird er oftmals nur als Sammelbegriff für die andere Hautfarbe verwendet, manchmal, in ganz wenigen Ausnahmefällen wird er auch in weniger netten Art und Weise verwendet.
Nachtrag zum Nachtrag: wir haben 20:22 Uhr und der Strom ist wieder weg. Arrrrgggghhhh ;)